Der Online-Handel mit Tieren oder: Der perfekte Wunschhund
Zum Glück der Menschen scheint immer häufiger der Hund zu fehlen.
Egal woher, der perfekte Wunschhund wird von seinem Menschen erkannt, sobald sich die Beiden unter einem Regenbogen gegenüberstehen.
(Manchmal auch, sobald der Dealer der Vermehrerhunde den Kofferraum ganz romantisch auf dem Autobahnrastplatz öffnet und die vier Wochen alte, schwer kranke Brut in Silbergrau und Blau verängstigt und hilflos zum ersten Mal im Leben dem Tageslicht entgegenblickt.)
Ein gaaanz besonderer Hund sollte der perfekte Wunschhund aber schon sein; NATÜRLICH nicht der Optik wegen, sondern auf Grund der Passform des jeweiligen Charakters der ganz besonderen Hunde, der sich nahtlos in die kleine Lücke des neuen Systems einfügen soll, in das er zwangsintegriert wird.
Tricolor mit braunen Augen, Blueline mit grauen Augen, Merle mit blauen Augen, Atemnot in groß, klein, dick, dünn, Gendefekt in gedrungen, windschnittig, kurz, lang, Molosser, Jagdhund, Hütehund oder gar der kaum zu bändigende Herdenschutzhund, der einem den Gottesstatus der Hundeflüsterei verleihen könnte, wenn man dessen Willen nur gebrochen bekäme, werden unter die Lupe genommen. Alle kommen in Frage, erst mal, die Auswahl ist groß, die Optik gigantisch. An EINEM kommt man jedoch einfach nie vorbei: diese EINE Rasse MUSS es sein!
Und so wird sie geboren: Die konkrete Vorstellung!
Wohl erzogen soll er sein (mit bissel Essen und ganz viel Liebe klappt das schon), dankbar wäre schön (das sind doch sicherlich die armen Seelen aus dem Tierheim/-schutz), ruhig im Haus (drei Stunden Ball spielen am Tag machen das bestimmt möglich), Trost spenden muss er (Hallo?!, nur dafür sind Hunde doch gemacht), an der Leine schweben wie ein Engel (Leberwurstpaste in der Tube reicht da sicherlich), einziges oder letztes Kind soll er sein oder zumindest dessen Ersatz (puh!), jegliche emotionale Not darf er abfangen (puh!) und und und (Uff!).
Die Vorbereitung scheint perfekt, die Erwartungen sind groß!
Das Angebot ist groß und die Auswahl scheint entsprechend:
Tierheim, Züchter, Wildvermehrer, „ungeplanter“ Wurf bei Nachbars, Internet-Auslandstierschutzverein mit Abholung am Transporter oder Lieferung frei Haus, Zoo-Zajak, Ih-Bäh-Kleinanzeigen, Facebook, Instagram, Mundpropaganda… haste nicht gesehen.
Probleme des Online-Handels mit Tieren:
- Spontankäufe – einfach, schnell, (günstig), riesige Auswahl. Onlinesuchanfragen monatlich für „Hund kaufen“: 105.790, Onlinesuchanfragen monatlich für „Katze kaufen“: 81.720
- Fehlende Kenntnisse, fehlende Beratung, fehlendes Kennenlernen = resultiert in etlichen Problemen, die auf Tierheime zurückfallen.
- Anonymität: in der Regel keine Identifikation, keine Rückverfolgung möglich, keine Verantwortung, keine Rücknahme.
Gewerbliche Händler*innen benötigen einen Sachkundenachweis §11 Tierschutzgesetz, weitere Regularien hinsichtlich des Handels mit Tieren im Internet gibt es IN DEUTSCHLAND nicht.
In Österreich z.Bsp. sind private Anbieterinnen verboten, nur gewerblich gemeldete dürfen mit Tieren handeln, die nicht unter sechs Monate alt sein dürfen. In der Schweiz ist ein Online-Handel mit Tieren nur mit Verkäuferinnen-Identifizierung möglich.*
Viele können „liefern“, jeder kann jeden Hundetyp bekommen, den er will, egal ob geeignet oder nicht. Wer bedient werden will, wird irgendwo fündig. Was man WILL, kann man sich kaufen, lernen wir tagtäglich, und im Zweifelsfall per Knopfdruck im Internet bestellen.
Nur mit der Reklamation wird es schwierig, stellt Mensch fest, wenn klein Hundi dann erst mal eingezogen ist, und sich die Haltung womöglich gar nicht so romantisch wie im Kitschfilm darstellt.
Plötzlich enttäuscht der Hund Erwartungen, zeigt seine Grenzen und die der Möglichkeiten seines Menschen auf, entwickelt eigene Ideen, stellt Ansprüche an die menschliche Führung und wird mal kurz gesagt „unbequem“.
Mensch wundert sich, was mit dem Wunschhund los ist, man scheint doch alles getan zu haben, wovon man glaubt, es würde reichen. Wenn gar nichts mehr zieht, hat man wohl einen dominanten Alpha erwischt; klar, dass dann der Hund versagt hat, denn genau DEN muss ja erst mal einer führen können und so trennen sich die Wege von Mensch und Wunschhund immer häufiger.
Dass die Tierheime überfüllt sind und einige Verantwortliche sich gerne ihrer Verantwortung entziehen, hat sich wohl noch nicht in Gänze herumgesprochen und Mensch wundert sich weiter: „Ihr Tierheime seid doch dafür da, unsere Fehler auszubaden. Wie könnt Ihr keinen Platz für meinen haben?!“, fragt sich der uninformierte zukünftige Ex-Wunschhundhalter.
Und so zeigt sich die Moral von der Geschicht: Vieles ist käuflich, Charakter aber nicht! …oder so…
Wir fordern:
- Verbot des Handels und des Versandes von lebenden Tieren über das Internet!
- Onlinehandel an behördliche Meldepflicht binden!
- Verkäufer*innen-Identifikation!
- Prüfmaßnahmen VOR Onlinestellung!
- Gezielte Verbote, z. B Qualzucht und Produkte, die Tierleid erzeugen!
Herzlich danken wir für die Informationen und Recherchen dem Deutschen Tierschutzbund e.V., sowie dem Tierheim Elisabethhof und der Hundeschule Royal Steps.
Die Frage ist nicht: können die denken? Oder: können sie sprechen ?, sondern: können sie leiden.
(Jeremy Bentham)